30 Jahre Krieg und Frieden oder Wie man eine Silberne Hochzeit nachfeiert
Meine Damen und Herren, der Abend steht – und wie schon vor circa 8 Jahren, als wir Wally beim ehemaligen Edel-Türken feierten,
spielt auch heute das Stichwort ‚H e n g e n‘ eine bedeutende Rolle.
Liebe Freunde,
es ist also höchste Zeit fürs semi-intellektuelle Programm, bevor hier die Puppen beim Tanzen umfallen und man über deren Bär steppt, bevor die Balken krachen und der Champagner aus ist…
Bevor uns die Rosi davon rennt, weil in Stuttgart noch ein paar High Heels zu kaufen sind.
Fangen wir also an, bevor eine Uschi oder eine Muschi uns durcheinander bringt.
Bevor irgendwelche Kreisliga-Fußballer umknallen oder sie fäustlings umgeknallt werden,
bevor der ambulante Pflegedienst den einen oder anderen abholt oder eben bis der Festredner keine Laune mehr, dafür aber einen sitzen hat.
Ich darf ganz kurz in die D i d a k t i k des heutigen Abends einführen:
ein Abend der küchen-literarischen Navigation, denn es geht unter anderem – wie bereits benannt – um ‚Hengen‘.
Hengen, ein Begriff, den wir eigentlich alle zu kennen glauben.
Kennen wir doch durchhängen, abhängen oder eben chillen, auf- oder aushängen und einhängen, umhängen und rumhängen, einen hängen haben, ihn schlaff hängen oder ihn raushängen lassen.
Doch Hengen, Hengen ist ganz, ganz was anderes. Hengen ist ein Ort, ja sagen wir ein Haufendorf,
und deshalb auch nicht ganz einfach fürs Navigations-Gerät, doch schließlich ist Hengen auch über Google-Map zu finden.
Wenn es z.B. heißt:
einer stamme aus Hengen, wäre das dann auch die richtige Angabe
für den Geburtsort unseres heutigen Gastgebers, ein Ort neben Lenningen und nahe Bad Urach, mit inzwischen 854 Einwohnern und 1000 Kühen und insgesamt ein Ort, der von sich sagen kann:
Hengen hat bereits drei Mal den 1. Preis und weitere Anerkennungen beim Kreis-Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ gewonnen.
Allerdings liegt Hengen als Ortschaft auf der Schwäbischen Alb, von wo aus zumindest ein Hengemer Fuchs im badischen Villingen Asyl beantragte.
Die Stammeseigenschaften eines Hengemers sind dann auch im Ort in Stein gemeißelt:
Uffrichtich ond gradraus – so lang mer koin Schade dervo hot:
guatmiätich bis dortnaus – aber net, wenn ‘s ums Geld goht;
wenn ‘s sei muaß – saugrob, solang nex uff‘m Schpiel stoht:
Dees isch der Schwob!
Liebe Festgäste aus dem Geldadel,
aus dem Kreis des gehobenen Konsums, liebe ehemalige Amateurkicker mit Endo-Knie-Prothese, liebe Irrlichter aus dem lokalen Show-Biz und aus der allerhöchsten Gastronomie, liebe Vertreter der Facility-Dienstleister sowie der gierigen Versicherungen, liebe Konkurs-Verschlepper, verehrte freie Berufe, willkommen die Handlanger der Politik und der Justiz sowie der kommunalen undregionalen Verwaltung! Hoch verehrte ehemalige Gasrebellen!
Liebe Gastgeber, Rosi und Walle, du Stammtischbruder,
du eloquentes Phänomen im kommunikativen Außendienst, du Freund der kalten Bodensee-Schorle, du James Dean im Black Forest, du Schwarm der Frauen.
Liebe Rosi, lieber Walle, liebe Familienmitglieder, liebe Lenninger Freunde und Bekannte, rühmlich Außenstehende! Verehrte Schwenninger!
Waldemar „Walle“ Mayer, geboren in der Diaspora des früheren Königreichs Württemberg, war wohl schon als kleiner Bueb einer derer, die alles sehr schnell kapierten.
Walle war
– und das überraschte wohl damals in den frühen 60ern total auch die bocklederne Verwandtschaft –
ein überaus kluges Köpfchen, weshalb er auch schon mit 5 1/2 in die Schule gekommen sein soll.
Das war vor 50 Jahren, als Waldemar schon mit sechs Jahren Anführer und Präsi der
ersten Hengemer Gang gewesen sein soll.
Das Bewerber-Gespräch für die Aufnahme in das Bullen-Chapter Hengen durch den Hengemer Chapter-Präsi soll damals wie folgt verlaufen sein:
Wie alt bisch du? – Sechs! – Rauchsch du! Nei! – Trinksch du? – Au nit!
Häsch du ‘s scho mit de Maidle! Nei! – No bisch au no kone Sechs“
Zum heutigen Abend erinnern wir uns natürlich alle an das nostalgische Foto-Motiv einer überaus gelungenen Einladung, die da titelte:
30 Jahre Krieg & Frieden.
Als ich das Kuvert öffnete dachte ich zuerst, Rene Weller lädt mich zu seiner Goldenen Hochzeit ein.
Aber, nein! Nein! Wir feiern heute den Erfolg einer nachhaltigen Partnerschaft, aus Liebe und Lust, aus Sport, aus Schuhen, Schuhen und nochmals Schuhen, aus Hundehaltung und Autos und aus Schorle. Eine Partnerschaft, die sich aus der Masse aller Paare Mayer bisweilen telegen hervorhebt.
Und das Ganze kam wie folgt:
30 Jahre Krieg & Frieden o d e r Die Erschaffung des Weibes
(nach einer indischen Legende)
Brahma, Schöpfer allen Lebens, saß und sann im Weltenmai,
sann und grübelte vergebens, wie das ‘Weib „Rosi“ wohl zu schaffen sei.
Denn als er Waldemar geschaffen,
hatte seine Meisterhand alle festen, alle straffen Elemente schon verwandt.
Wie das Werk „Rosi“ nun beginnen, da kein Stoff mehr übrig war?
Erst nach langem tiefen Sinnen, ward ’s ihm endlich offenbar:
Und er nahm der Blume Samet und den frommen Blick des Rehs
und die Glut, die lodernd flammet, und den kalten Hauch des Schnees;
Nahm den zarten Schmelz vom Laube und den Flaum vom Spatzenkleid,
das Gegurr der Turteltaube und des Tigers Grausamkeit.
Als nächstes vier Zeilen,
die wohl auf Waldemars Bestellung in des Schöpfers Handeln eingeflossen sind:
Er nahm den schlanken Wuchs der Gerte und des Windes Flattersucht,
nahm des Diamanten Härte und eines …Pflümlis…süße Frucht.
Und vom morgendlichen Rasen nahm er den Tränenfluss des Taus,
nahm die Furchtsamkeit des Hasen und die Eitelkeit des Pfaus.
Für Rosis Front und die Erotik nahm er des Vollmonds üppig Rund
vergaß auch nicht die heißen Lippen für einen wahrlich heißen Mund.
Er nahm der Kletterpflanze Schlingen, nahm der Schlange Wellenleib,
und aus allen diesen Dingen
gelang dem Weltenherr die „Rosi“ als des Waldemar sein Weib.
Der Schöpfer schenkte die Genossin dem Waldemar mit güt’gem Sinn;
doch bevor ein Mond verflossen, trat Waldemar vor Brahma hin,
Und er sprach: Oh, Herr, das Wesen, das du mir so gnadenvoll
zur Gesellschaft hast erlesen, macht mich elend, macht mich toll.
Ach, es plappert Tag‘ und Nächte, raubt mir Schlaf und Zeit und Ruh‘,
fordert viel, doch nie das Rechte, stört und quält mich immerzu.
Sie verleidet mir mein Leben, sie zertrümmert mir mein Glück
Du, der du mir Rosi hast gegeben, großer Brahma, nimm sie zurück!
Brahma tat nach seiner Bitte; doch nach einer Woche schon,
trat Waldemar mit raschem Schritte wiederum vor seinen Thron.
„Herr“, sprach Waldemar beklommen,
„Meines Jammers dich erbarm`, seit du mir Rosi hast genommen,
ward mein Leben leer und arm.
Ach, gedenken muss ich täglich, wie dies Wesen liebt mit Lust,
drum will ich ohne sie nicht leben, … denn das ist für mich nur Frust.
Die geschmeidig sanften Glieder und das liebliche Gesicht;
Brahma, gib mir die Rosi wieder, meines Lebens Lust und Licht!“
Brahma stillte sein Verlangen, doch drei Tage kaum vergangen,
kam Waldemar mit bleichen Wangen abermals zurück und sprach:
„Sieh mich, Herr, voll bitt’rer Reue!
Ach, ich war ein blinder Tor;
seit du mir Rosi gabst auf Neue, bin ich ärmer als zuvor.
Nie mehr will ich mich betrügen durch ihr Lächeln, ihren Kuss
wie winzig ist solch ein Vergnügen, wo riesengroß doch der Verdruss.
Ach, mir blieb kein Hoffnungsschimmer; drum erhör‘ mich, großer Gott!
Nimm das Weib mir ab für immer!“
Brahma forsch: „Bin ich dein Spott?!
Scher‘ dich heim! Für deine Klagen bleibt mein Ohr fortan verschanzt;
lern‘ ‘s, so gut es geht, ertragen, was Du nicht entbehren kannst.“
Traurig schlich Waldemar von hinnen, und schwer im Schritte seufzt‘ er bang‘:
„Großer Brahma, nicht entrinnen werd‘ ich meinem Untergang.
Was du mir herauf beschworen durch dies Weib, verschmerz‘ ich nie;
beide Mal bin ich verloren – mit ihr oder ohne sie.
Soweit meine Anlehnung an den Humoristen Ludwig Fulda, 1862-1939
Nun ist Waldemar Walle Wally Mayer längst auch ein galanter Mann und ein exzellenter womenizer,
frei nach den Grundsätzen.
Immer schön die Stange fassen,
Damen stets den Vortritt lassen,
in Gesellschaft fromm und still
niemals vorlaut oder schrill,
beim Pimpern sollst du niemals hetzen
und schlecht nicht über Lehrer schwätzen,
zahle stets, was du gesoffen,
der Wirt soll nicht auf morgen hoffen,
Fisch nicht mit dem Messer essen,
Trippls Welt schnell noch vergessen.
Nicht zu oft die Weiber bügeln
deshalb die Fleischeslust bezügeln,
die Penunze nicht verprassen,
nichts so wie die Faulheit hassen,
ab 50 niemals mehr nackt in Spiegel schauen,
und keinem Schwenninger mehr trauen,
nicht trinken aus der Untertasse,
man nie an fremde Titten fasse,
nach dem Abort, wasch dir die Hände,
schiffe nie an fremde Wände!
Führe stets ein saub‘res Leben,
Tugend sei dein Hauptbestreben,
Kurzum: Sei zu innerst gut,
denn wer gut ist, auch gut ruht.
Das ist alter schwäb’scher Brauch,
aber anders geht es auch!
Beide leben hoch! Hebet das Glas!
P R O S T – liebe Rosi, lieber Walle,
G l ü c k a u f ! – Das war’s!
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