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Ost-Migration und alemannische Integration
Bei vor Ort erkannter, stark heterogener Besetzung der Zielgruppe,
sollten nach maßgeblichen Regeln der Rhethorik nachstehende
Grußrede nicht gehalten werden.
Die Einschätzung ist ad hoc zu treffen, ohne dass der Gastgeber
oder dessen Gästen in die Entscheidung eingebunden sind.
Ja, meine Damen und Herren,
liebe Theken-Brüder und -Schwestern,
ihr einsam verlorenen Gas-Rebellen,
flotte, wenn auch gealterte Mädels oder andere Schellen,
liebe schrill-bunten Sing-Vögel,
ihr Lichtscheuen aus grellem Show-Biz und aus der allerhöchsten
und edlen Gastronomie,
herausragende Personal-Coaches,
die liäber i de Beiz hocket als dass s’e dehoim bleibet,
liebe Geschäftsführer, die ihr auf eure Insolvenz wartet,
verehrte freie Berufe, Zauberer und Messerstecher…
Herbei, herbei, die Backmaschinen-Verkäufer mit Profitgier,
willkommen die Handlanger der Politik
sowie der kommunalen und regionalen Verwaltung!
Liebe Arbeitnehmer in gesicherter Armut,
die ihr dienstlich Uniform tragen müsst,
liebe trockene, satte und ruhig gestellte Versorgungsempfänger, liebe Pensionäre,
hoch verehrte, weil noch aktive Lehrerschaft.
Und last but not least
liebe Mitglieder der Selbsthilfegruppen Alkohol, Nikotin und Selbstüberschätzung.
Rühmlich Außenstehende, hallo, ihr Schwenninger!
Mein Lieber Rico!
Auf einen 40ten Geburstag kommen ja Senioren in meinem Alter nicht allzu oft… Nun, warum auch…!?
Jetzt hab‘ ich aber die Satire eines Literaten gelesen, der über Jahrzehnte die literarische Welt in der BRD mit bestimmte und der die Frage stellte, wie sich denn so ein 40-jähriger selbst sieht, wenn er denn in Spiegel kuckt…
Das Werk stammt von Robert Gernhardt, dem früheren Satiriker von PARDON und TITANIC, wurde ein wenig von mir ge-faked und lautet:
Als er sich mit vierzig im Spiegel sah
Seht ihn an: der Fuß der Zeit
trat ihm seine Wangen breit.
Schaut seine Ohren! Die vielen Jahre drehten sie ins Sonderbare!
Ach, das Kinn! Es scheint zu flieh’n, will die Lippen nach sich zieh’n!
Ach die Stirn! Die vielen Falten drohen, ihm den Kopf zu spalten!
Die Nase! Oh, wie vorgezogen!
Der Mund! So seltsam eingebogen!
Der Hals! So krumm! Die Haut! So rauh!
Das Haar! So stumpf! Das Fleisch! So grau!
Nur die Augen lidumrändert,
strahlen blau und unverändert,
sie schauen forschend, klar und mild
sein Ebenbild als Spiegelbild,
Augen, die leuchten wie zwei edle Steine –
doch sind überhaupt noch seine?
Ja! Denn das Leben meint es recht:
Rico ist schöner nur in echt!!!
Nun, gut …. oder eben auch nicht gut…
Wir sind hier beim Edel-Türken,
unserem österreichischen Viktor I. ,
wie wir das im vorigen Jahr bei ähnlicher Gelegenheit
zur Kenntnis nehmen durften,
diesmal wieder mit gebildeten, erotisch faszinierenden,
wirtschaftlich und pekuniär herausragenden Personen und lieben Gästen.
Die meisten theken-erprobt und in der lokalen Gastro- und Partnerschafts-Szene bestens bewandert.
Erlaubt mir, e u c h , der hoch-werten Schar des gehobenen
bis höchsten Bildungsbürgertums,
aus Anlass unseres Beisammenseins und zu Ehren und zum 40ten von Rico einen der ebenfalls herausragenden deutschen Autoren und Dichter zu adaptieren und dessen sozial-philosophische Erkenntnis unserem Gastgeber zu widmen.
Also, nicht ganz von mir, aber auch gut!
Es handelt sich um das Gedicht Das Ideal von Kurt Tucholsky
aus dem Jahre 1927, einzelne unter uns werden ihn noch gekannt haben.
Ich deklamiere, wie einst Wolfgang „Richie“ Hauser, Gott hab‘ ihn selig, sich gelegentlich äußerte:
Ja, das möchtste:
Ein Penthouse auf dem Hubenloch, mit großer Terrasse,
vorne die Ostsee und hinten die Niedere Straße;
mit rückwärtiger Aussicht nach Schwenningen, ländlich-mondän,
vom Badezimmer aus ist die Zugspitze zu sehn –
und abends zum Ratzennest hast du ’s nicht weit. Das ist gescheit!
Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:
Neun Zimmer – Nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo riesige Eichen drauf steh’n,
„WeehLahn“, ISDN, Innen-Pool und Außen-Kamin samt Solarium,
einen Personal-Trainer und eine Bediene-Kraft,
gut gezogen und die alles schafft,
eine süße Frau, rassig mit Format und Klasse,
die niemals dich nerve,
und eine fürs Wochenende – quasi als Reserve.
Eine Biblio-, eine Video- und eine Vinothek
und drumherum sowohl Einsamkeit wie auch Bienen-Gesumm.
Im Stall: Zwei Ponys, vier Vollblut-Hengste,
in der Garage: acht Autos, Motorrad, ein Trabi…
– alles lenkste….. natürlich selber!
Das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Safari und Großwildjagd.
Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche – exzellentes Essen –
alte, badische Weine aus schönem Pokal –
und trotz aller Völlerei bleibst du dünn, ja fast schmal.
Und an Geld und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ’ne Million und noch ’ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebens-Buntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit. Ja, das möchtste!
Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheint ’s so, als sei es beschieden
nur pö-a-pö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Haste mal Geld, dann fehlen dir die Mädchen;
biste mal blank, aber haste ’ne Braut,
dann ist das ein Gretchen…die sich beim Bumsen nicht traut.
Hast du ’ne Exotin, ’ne richtige Geisha,
an der Scham mehrfarbig mit Bildern tätowiert,
zum glotzen, falls es mal nicht pressiert,
dann stört dich sicher ihr Fächer…
So ist das im Leben:
mal fehlt dir der Wein und dann mal der Becher.
Etwas ist immer.
Tröste dich, lieber Rico!
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Dass einer alles hat – das ist selten.
Wir alle gratulieren dir!
Da reimt sich drauf: HOCH LEBE IHM!
P R O S T !
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